Gerade hat das Wintersemester begonnen und hunderte junge Erstsemester nach Freiburg gebracht. Die Veranstaltungen in den “Ersti-Wochen” sind eine gute Gelegenheit für neue Studierende, andere Menschen, die Uni, das Fach und die Stadt kennenzulernen. Die Rahmenbedingungen dieser Veranstaltungen bergen jedoch stets die Gefahr, Sexismus und hierarchische Strukturen abzubilden oder zu fördern. Deshalb sollen die überkommenen Standards dieser Tage unter einer kritischen Perspektive betrachtet werden.
Viele Studierende sind in ihren ersten Wochen an der Uni in einer besonderen Situation: Sie befinden sich in einer vollkommen neuen Lebenssituation, in einer fremden Stadt und sind zumeist zum ersten Mal in ihrem Leben ganz auf sich allein gestellt. Sie konnten sich noch kein sicheres soziales Umfeld aufbauen und sind deswegen häufig in Bezug auf ihre eigene Person verunsichert. Viele verspüren großen Druck, gut anzukommen, Freunde zu finden und Teil einer Gruppe zu werden. Es entsteht die Gefahr, sich Gruppenzwängen unterzuordnen und eigene Tabus zu überschreiten.
In diesem Kontext kommt den Ersti-Veranstaltungen besondere Bedeutung zu. Zum einen treten dort ältere Studierende auf, die aufgrund ihrer Stellung in der Gruppe und ihrer Erfahrung für junge Studierende Vorbildcharakter haben. Zum anderen sind gerade die Begegnungen und Eindrücke der ersten Studientage für die Sozialisation zwischen den Studierenden von großer Bedeutung. Eine Mischung aus Verunsicherung und Anpassungsdruck kann zu einer Bereitschaft der neuen Studierenden führen, sich allen Gruppenaktivitäten anzuschließen, sie nicht zu hinterfragen und sich keiner Aufgabenstellung der höheren Semester selbstbestimmt zu entziehen.
Diese Hierarchie zwischen jungen und älteren Studierenden sowie die Unsicherheit von Erst-Studierenden sind ein schwer vermeidbares Resultat der Umstände.
Umso bedeutender ist es aber, wie mit dieser Situation umgegangen wird. Gibt es überhaupt ein Bewusstsein für die perfide Wirkungsweise von Sexismus und Hierarchie?
Unsere Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass mit den strukturellen Gefahren dieser Anfangszeit oftmals sehr gedankenlos umgegangen wurde. Anstatt Gruppendynamiken aufzufangen und den Druck herauszunehmen, werden Zwangssituationen geschaffen. Problematisch ist dabei nicht der generelle Konsum von Alkohol, sondern die Kombination von Alkohol und Wettkampf.
Beispielsweise erwirbt eine Gruppe bei der Ersti-Rallye dann mehr Punkte, wenn ihre Mitglieder viel trinken können. Alkoholische Getränke werden dabei als “Norm” gesetzt, wer – aus welchen Gründen auch immer – gerade keinen Alkohol trinken möchte, muss die Kraft und die Bereitschaft aufbringen, sich den Vorbildern, der Gruppe und der Norm zu widersetzen und um ein alternatives Getränk bitten. Jeder mag diese Situation unterschiedlich empfinden, für manche kann sie eine ernsthafte und belastende Zwangslage bedeuten: widerwilliges Trinken oder soziale Abweichung. Es bedarf keines bösen Willens, um solche Zwangslagen zu schaffen. Sie sind aber für eine positive Gruppenbildung in keiner Weise notwendig.
Womöglich noch problematischer an diesen Spielen, sind die Rollenbilder, die oftmals in ihnen reproduziert werden. Schon in den Aufgabenstellungen bekommen männliche und weibliche Studierende meist unterschiedliche Rollen zugewiesen. Als bekannteste Beispiele wären dabei das BH-Ausziehen oder die Nachstellung pornographischer Szenen zu nennen. Damit wird eine „Lockerheit“ erzwungen, Menschen werden sexualisiert und mehrheitlich Frauen werden zu Objekten gemacht. Der akj kritisiert, dass in der Ersti-Zeit – bewusst oder unbewusst – bestehende Hierarchien und Rollenbilder weitergetragen und reproduziert werden. Wir fordern die Studierenden auf, bestehenden Handlungsmuster und Strukturen zu reflektieren, damit in Zukunft nicht Sexismus und Hierarchien transportiert, sondern die Stärkung des Selbstwert- und Gruppengefühls gefördert wird.
akj Freiburg, 27.11.2013