Freiburg, 04.08.2023
Gegen die vom Gemeinderat am 16.05.2023 beschlossene Parkanlagensatzung formiert sich breiter Widerstand. Ein Bündnis aus Jugendverbänden, Parteijugenden, Gemeinderatsfraktionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen will unter Federführung des Arbeitskreises kritischer Jurist*innen (akj) und mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Klage am Verwaltungsgerichtshof gegen die Satzung einreichen. Finanziert werden soll die Klage durch ein Crowdfunding, das heute startet.
Das Bündnis kritisiert insbesondere, dass das Verbot von Musikboxen und Musikinstrumenten zwischen 23 und 6 Uhr nicht nur in Problembereichen, sondern pauschal in einer Vielzahl von Parks erlassen wurde. Nach Meinung des Klagebündnisses ist diese Regelung nicht verhältnismäßig und schränkt die allgemeine Handlungsfreiheit zu pauschal ein. „Wir sind schockiert über die unangemessenen Regelungen, mit denen der Gemeinderat einmal mehr junge Freiburger*innen aus dem öffentlichen Raum verdrängt“, meint Jan Rahner, Mitglied des akj Freiburg. Der Schutz der Nachtruhe ist ein legitimes Anliegen, allerdings ermöglicht bereits die geltende Polizeiverordnung, umfassend gegen Lärmbelästigung vorzugehen. Die neuen Verbote sind daher unnötig, zu pauschal und unverhältnismäßig.
„Gemeinsam mit dem Ring politischer Jugend (RPJ) haben wir innerhalb weniger Tagen über 3000 Unterschriften gegen das Musikboxenverbot gesammelt. Diese Resonanz zeigt, wie sehr das Thema junge Menschen in Freiburg umtreibt und wie überrumpelt sie von der voreiligen Entscheidung des Gemeinderats waren. Dieser hat mit seiner Entscheidung erneut im Eiltempo Fakten geschaffen, anstatt mit den jungen Menschen in einen Dialog zu kommen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten“, erklärt Seren Haliloğlu von den Jusos Freiburg.
Ein Antrag der Fraktionen Eine Stadt für alle und JUPI auf Vertagung des Beschlusses und besseren Einbezug der Öffentlichkeit wurde von einer Gemeinderatsmehrheit abgelehnt. „Gemeinderat und Stadtverwaltung haben es verpasst, die Platznutzenden in die Überlegungen zur Parkanlagensatzung angemessen einzubeziehen. Der RPJ hat gute differenzierte Konzepte mit einzelnen Boxenverbotszonen vorgeschlagen. Nachdem die Jugend von der Gemeinderatsmehrheit ignoriert wurde, darf sich die Verwaltung nicht wundern, wenn diese sich nun juristisch wehrt“, analysiert Simon Waldenspuhl, Fraktionsvorsitzender der JUPI-Fraktion.
Lina Wiemer-Cialowicz, Fraktionsvorsitzende Eine Stadt für alle, ergänzt: „Der Rechtsstaat muss hier für Klarheit sorgen und im besten Fall die Satzung kippen. Dann können wir uns über sinnvolle Alternativen unterhalten.“
Dorothea Schiewer, stellvertretende Vorsitzende des Stadtjugendringes, kritisiert, dass keine angemessene Jugendbeteiligung zur Thematik durchgeführt wurde. „Nach Gemeindeordnung müssen Jugendliche an Entscheidungen beteiligt werden, wenn ihre Interessen berührt werden. Dies ist in diesem Fall schlicht nicht geschehen. Daher halten wir den Satzungserlass schon aus diesem Grund für rechtswidrig.“ Dieser Fall wie auch viele weitere zeige, dass die Stadt Freiburg kein Konzept zur Beteiligung von Kindern- und Jugendbeteiligung in der Verwaltung hat.
Die IG Subkultur ärgert besonders, dass auch Musikinstrumente unter das Verbot fallen. „Warum eine Jamsession in der hintersten Ecke des Dietenbachparks verboten werden muss, erschließt sich uns nicht. Musikalische Darbietungen waren grundsätzlich nie Teil der Beschwerdelage. Dieses Verbot ist auch ein ungerechtfertigter Eingriff in die Kunstfreiheit“, führt Markus Schillberg von der IG Subkultur aus.
Neben dem Musikboxenverbot kritisiert das Bündnis auch weitere Regelungen der Satzung wie das pauschale Nächtigungsverbot, das besonders wohnungslose Menschen trifft.
„Wir sind sicher, die neuen Verbote werden vor dem Verwaltungsgerichtshof keinen Bestand haben!“, stellt Aenne Wagner für den akj klar. Bereits 2008 scheiterte die Stadt mit dieser Politik vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, der das damalige Alkoholverbot in der Freiburger Innenstadt nach Klage des akj für rechtswidrig und damit nichtig erklärte. Dass die Freiburger Kommunalpolitik dennoch erneut den Weg unverhältnismäßiger Verbote gewählt hat, zeigt, dass sie es immer noch nicht verstanden hat, ausgewogene und sozial gerechte Politik für alle Menschen in Freiburg zu machen. Deswegen appellieren alle beteiligten Gruppen an den Gemeinderat und die Stadtverwaltung, sich von der rechtswidrigen Verbotspolitik zu verabschieden.
Die Klage wird von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt, die bundesweit strategische Klagen zum Schutz der Grundrechte führt. David Werdermann, Rechtsanwalt und Verfahrenskoordinator der GFF erklärt hierzu: „Die Parkanlagensatzung ist ein rechtlicher Trick. Weil die Stadt weiß, dass sie Musik im öffentlichen Raum nicht pauschal verbieten kann, hat sie die Parks umgewidmet und eine ‚Benutzungssatzung‘ erlassen. Wenn sie damit durchkommt, öffnet das Tür und Tor für weitere Grundrechtseinschränkungen ohne vernünftigen Grund.“
Zur Finanzierung der Klage wird ein Crowdfunding gestartet. „Nachdem sich tausende Menschen in einer Petition gegen das Boxenverbot ausgesprochen haben, sind wir sicher, dass die Finanzierung in Form des Crowdfundings Erfolg haben wird“, erklärt Sophia Kilian, Vorständin von Junges Freiburg. Sollte das Bündnis in der Klage rechtbekommen, wird das Geld an die Freiburger Straßenschule gespendet, zudem soll die Gesellschaft für Freiheitsrecht unterstützt werden.
Das Bündnis möchte zunächst im vorläufigen Rechtsschutz am Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegen die Parkanlagensatzung vorgehen, ist aber auch bereit im Hauptsacheverfahren gegen die Parkanlagensatzung zu klagen. Personen, die bereits von Maßnahmen auf Grundlage der neuen Regelungen betroffen waren oder sind – etwa durch die Beschlagnahme der eigenen Musikbox – und sich ebenso rechtlich gegen die Parkanlagensatzung wehren wollen, können sich gerne an das Klagebündnis wenden (Mail: parkanlagensatzung@akj-freiburg.de)
Das Crowdfunding ist unter folgendem Link abrufbar: https://gofund.me/de879626
Die Klage wird von folgenden Gruppen unterstützt:
Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg (akj)
Fraktionsgemeinschaft Eine Stadt für alle
Unabhängige Frauen Freiburg
Pressekontakt:
Simon Waldenspuhl (Fraktionsvorsitzender JUPI): 017632997915
simon.waldenspuhl@jupi-freiburg.de
Jan Rahner (Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg):