1. Warum beobachten wir?
Das durch Artikel 8 Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit stellt einen grundlegenden Pfeiler politischen Engagements dar. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts ist das Recht auf Versammlungsfreiheit “ein Stück ursprünglicher, ungebändigter, unmittelbarer Demokratie“. In Zeiten, die unter dem Eindruck allgemeiner Politikverdrossenheit stehen, erscheint das Demonstrationsrecht als besonders schützenswert. Auch, weil es einem Erstarren in gefestigten Routineabläufen der parlamentarischen Arbeit potentiell entgegenwirkt und somit neue Impulse für politisches Handeln geben kann.
Vor allem bei linken Demonstrationen ist jedoch allzu oft zu beobachten, dass dieses Grundrecht nur mit erheblichen Einschränkungen wahrgenommen werden kann. Auflagen beispielsweise, die eine Routenänderung oder eine Lautstärkebeschränkung vorsehen, verringern schon vor Beginn der Demonstration deren Möglichkeiten, ihr Anliegen mit geeigneten Mitteln nach außen zu tragen. Begründet wird dies oft mit angeblicher Gewaltbereitschaft der zu erwartenden Teilnehmer_Innen.
Ebenfalls stark einschränkend wirkt eine massive Polizeipräsenz, wie ein Spalier oder ein Wanderkessel, während der Demonstration. Für viele Passant_Innen erscheint die Demo als etwas gefährliches bzw. als ein Ort, an dem Straftaten begangen werden. Der Fokus liegt dann nicht mehr auf den Inhalten der Demonstration, sondern auf deren äußerem Erscheinungsbild, welches in diesem Fall durch die Polizei geprägt wird und Abschreckung zur Folge hat. Ein inhaltlicher Austausch mit oder ein sich anschließen von Umstehenden wird somit gestört oder sogar unmöglich.
Auch der – insbesondere in Freiburg oft durchgeführte – Einsatz von Zivilpolizist_Innen, das häufig anlasslose und somit rechtswidrige Abfilmen von Versammlungen sowie Gewaltanwendungen seitens Beamt_Innen sorgen für eine einschüchternde Atmosphäre. Für viele Menschen sind dies Faktoren, die sie von der Wahrnehmung ihres Demonstrationsrechts abhalten.
Eine unabhängige Überprüfung des Vorgehens der Polizei oder der zuständigen Behörden findet dabei meist nicht statt.
Oft besitzt am Ende einer Demonstration die Polizei die Deutungshoheit über die Geschehnisse und nimmt erheblichen Einfluss auf die mediale Berichterstattung; das einseitig gezeichnete Bild der Polizei wird nur allzu oft übernommen.
Als akj Freiburg sehen wir es als unsere Aufgabe an, diesen Tendenzen entgegenzuwirken und durch unabhängige Beobachtung und Berichterstattung zur freien Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit beizutragen.
Dazu dokumentieren wir das Verhalten der Polizei vor, während und nach der Demonstration. Dies dient nicht nur der Zusammenstellung von Informationen und somit einer kritischen und unabhängigen Alternative zu den Darstellungen der Polizei. Es hilft auch, eventuelle Straftäter_Innen in Uniform zu identifizieren. Denn die fehlende Kennzeichnungspflicht macht Betroffenen von Polizeigewalt in der Regel ein weiteres rechtliches Vorgehen gegen die Beamt_Innen unmöglich.
2. Wie gehen wir vor?
Unsere Demobeobachtung geschieht ausschließlich auf Anfrage der Veranstalter_Innen. Auch spontane und unangemeldete Versammlungen und Aktionen können beobachtet werden, wobei auch dies niemals gegen ihren Willen passiert. Die Teams beobachten insbesondere nicht auf Anfrage oder Zuruf der Polizei, sondern ausschließlich dann, wenn sie es für notwendig oder sinnvoll halten und auch personell und organisatorisch dazu in der Lage sind. Als ehrenamtlich Tätige können wir leider keinen jederzeitigen Bereitschaftsdienst garantieren.
Im Vorfeld der Demonstration werden wir auch die Polizei über unsere Tätigkeit in Kenntnis setzen. Eine Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden findet nicht statt.
Auf Demos, die wir beobachten, sind wir immer eindeutig gekennzeichnet, um sowohl für Demonstrierende, als auch für die Polizei deutlich erkennbar zu sein. Damit kommt auch das Verständnis unserer eigenen Rolle zum Ausdruck: wir sind keine Demonstrationsteilnehmer_Innen und stehen dem Inhalt der zu beobachtenden Demonstration nach außen hin neutral gegenüber. Das bedeutet, dass wir uns nicht an Sprechchören oder ähnlichem beteiligen und auch keine Transparente, Fahnen etc. mit uns führen.
Dieser inhaltlichen Neutralität steht jedoch eine Parteilichkeit in dem Sinne gegenüber, dass wir für das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit eintreten und zu seiner effektiven Wahrnehmung beitragen wollen.
Die Demobeobachtung gilt daher den polizeilichen Maßnahmen gegenüber einer Versammlung. Wir sind weder gewillt noch bereit, die Demonstration mit Blick auf eine eventuelle Ahndung von Rechtsverstößen durch Demonstrierende zu beobachten – was neben der häufig maßlosen polizeilichen Überwachung auch überflüssig wäre.
Nach Beendigung der Demobeobachtung tragen wir unsere Notizen und Informationen zusammen und verfassen gegebenenfalls einen Bericht oder eine Pressemitteilung. Diese wird dann zeitnah auf unserer Homepage veröffentlicht.
Wir sehen es jedoch nicht als unsere Aufgabe an, lediglich eine chronologische Aufzählung der Geschehnisse zu liefern, vielmehr beobachten wir, um das Verhalten der Polizei kritisch zu hinterfragen und eine Gegenöffentlichkeit zu deren Darstellungen zu schaffen.
Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass wir keine Demos beobachten, deren Inhalt sich nicht mit unserem Selbstverständnis vereinbaren lässt. Hierzu gehören insbesondere Demonstrationen mit rassistischem, nationalistischem, sexistischem oder sonst menschenverachtendem Hintergrund.
Als Demobeobachtungsgruppe sind wir unter der folgenden Mail-Adresse erreichbar: demobeobachtung@akj-freiburg.de
akj Freiburg, April 2015