Im Rahmen bundesweiter Aktionstage fand am 17. November 2009 in der Freiburger Innenstadt eine Großdemonstration statt, organisiert von einem lokalen Aktionsbündnis bestehend aus dem u-asta der Universität Freiburg, dem UStA der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Partei Die Linke. Die ca. 5.000 Studierenden und SchülerInnen gingen hierbei unter dem Motto „Bildungsstreik“ auf die Straße.
Auf kurzfristige Anfrage der Veranstalter war der arbeitskreis kritischer juristinnen und juristen (akj) Freiburg mit einem Demonstrationsbeobachtungsteam vor Ort; die Dokumentation der angemeldeten Versammlung war ohne Einschränkungen möglich.
Nach einer Auftaktveranstaltung am Platz der alten Synagoge setzte sich der Demonstrationszug in Richtung Fahnenbergplatz in Bewegung. Nach einer Zwischenkundgebung bewegte sich der Demonstrationszug über das Siegesdenkmal bis zu einer weiteren Zwischenkundgebung am Bertoldsbrunnen, von dort durch das Martinstor in die Rempartstraße um schließlich am Platz der Alten Synagoge von den Veranstaltern aufgelöst zu werden.
Die Demonstration verlief, von Teilnehmerseite wie von Seiten der Polizeikräfte, durchweg friedlich. Die polizeiliche Begleitung beschränkte sich auf lockere Ketten, die aber in ihrer Anzahl nicht die Außenwirkung der Demonstration prägen konnten. Nur an ‚neuralgischen Punkten’ (Rektorat/Fahnenbergplatz, Kaiser-Joseph-Straße Ecke Rempartstraße, Rempartstraße Ecke Rotteckring) wurde durch ein verstärktes Aufgebot die Demonstrationsroute unterstrichen.
Zwei mit Kameras ausgestattete Beweissicherungs-Teams der Polizei wurden nach wiederholten Beschwerden von Seiten der Demonstrierenden auf Höhe Fahnenbergplatz/Rektorat abgezogen. Aktives Filmen durch die Beamten konnte vom akj-Demobeobachtungsteam nicht beobachtet werden. Im Nachhinein tauchten jedoch Fotoaufnahmen auf, die es nahe legen, dass versteckt aus einem Gebäude heraus doch Filmaufnahmen von dem Demonstrationzug gemacht wurden. Fragwürdig erschien den BeobachterInnen auch die Anwesenheit von ZivilpolizistInnen im Umfeld der Demonstration – allein von einem unserer Beobachter wurden drei Paare gesichtet.
Die vom Amt für öffentliche Ordnung als Versammlungsbehörde erlassenen Auflagen wurden den Veranstaltern fünf Tage vor dem Versammlungstermin bekannt gegeben, wodurch den Veranstaltern diesmal der Weg eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen die Auflagen de facto offen gestanden hätte. Verwiesen sei hier auf die Freiburger Bildungsdemo am 17. Juni 2009, bei der ein einstweiliger Rechtsschutz in Folge der späten Bekanntgabe der amtlichen Auflagen durch das Verwaltungsgericht Freiburg abgelehnt wurde (siehe dazu den Bericht zur akj-Demobeobachtung vom 17. Juni 2009).
Auch inhaltlich wich das Amt für öffentliche Ordnung von seiner bisher von uns beobachteten Praxis ab, als keine stark einschränkenden Auflagen erlassen wurden und die angemeldete Demonstrationsroute – inklusive der Zwischenkundgebungen – nicht beanstandet wurde. Nichtsdestotrotz wäre – insbesondere angesichts der Strafandrohung gegenüber dem Versammlungsleiter bei Verstößen gegen Auflagen – eine klarere Formulierung der oft sehr unbestimmten Begriffe erforderlich und aus rechtstaatlicher Sicht geboten.
Insgesamt konnte das akj-Demobeobachtungsteam eine für alle Beteiligten angenehme Demonstration beobachten, bei der von polizeilicher Seite mit einem offensichtlich sehr geringen Gefahrenpotential angemessen umgegangen wurde. Insofern hebt sich das Vorgehen erfreulich von der bisherigen Freiburger Polizeipraxis ab. Verbesserungswürdig bleibt die Auflagenpraxis des Amts für öffentliche Ordnung; rechtlich fragwürdig ist die Anwesenheit von ZivilpolizistInnen bei und das mögliche heimliche Abfilmen von Versammlungen.
Auch muss auf den auffälligen Gegensatz zu der nicht angemeldeten Demonstration des autonomen Spektrums am vergangenen Samstag hingewiesen werden. Zwar war dort auf Wunsch der Veranstalter kein Demobeobachtungsteam des akj vor Ort. Berichte der Presse und von TeilnehmerInnen zeichnen jedoch das Bild eines extrem repressiven, von vornherein auf eine Verhinderung der Versammlung und die Kriminalisierung der TeilnehmerInnen ausgerichteten Vorgehens der Polizei. Der akj betont an dieser Stelle zum wiederholten Male, dass auch nicht angemeldete Versammlungen unter dem Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG stehen und keineswegs schlichtweg „illegal“ sind. Im Gegenteil darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch eine nicht angemeldete Demonstration von der Polizei nicht ohne das Hinzutreten schwerwiegender Gefahrmomente aufgelöst werden. Dass die Vermummung einzelner TeilnehmerInnen offenbar zu einem Aufhalten der gesamten Demonstration führte, ist weder im Sinne eines deeskalativen Vorgehens noch rechtlich unbedenklich: In einem solchen Falle wäre die Polizei gehalten, gegen einzelne Vermummte vorzugehen, nicht aber mehr als 600 Personen über lange Zeit aufzuhalten.
Wir fordern Stadt und Polizei daher dazu auf, ihr Vorgehen auch gegenüber nichtangemeldeten Demonstrationen dringend zu überdenken und zu einer von Kooperation und Deeskalation geprägten Linie zurückzukehren, wie sie beispielsweise im Dezember 2008 zu einer von allen Seiten als erfreulich bewerteten (nicht angemeldeten) Demonstration geführt hatte.
akj Freiburg, 19. November 2009