Der akj Freiburg unterzeichnet den folgenden offenen Brief, der von den akj-Gruppen Berlin (HU), Passau, Marburg, Hamburg und Leipzig verfasst wurde.
Dem Bundesminister der Justiz Marco Buschmann
Dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck
Dem Landesminister des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen Herbert Reul
Wir wenden uns an Sie, um Sie an die Verfassungswidrigkeit der bevorstehenden Räumung Lützeraths sowie die Unvereinbarkeit dieser Räumung mit den für ihre Regierung geltenden Klimaschutzzielen zu erinnern, und Sie für diese zur Verantwortung zu ziehen.
Seit mehreren Jahren reißt Deutschland mit einer inzwischen fast erwartbaren Selbstverständlichkeit die selbst gesetzten Klimaziele ein. 15 Grad im Januar erinnern daran, dass ein Erreichen des 1,5-Grad-Ziels von Paris in immer größere Ferne rückt.
Und dennoch wird in dieser Woche unter großem Polizeiaufgebot eine weitere Räumung zugunsten der Konzerninteressen von RWE durchgeführt.
Rechtsgrundlage für die Räumung von Lützerath ist der § 48 KVBG. Noch im Jahr 2021 hatte Bündnis 90/Die Grünen gutachterlich die Verfassungswidrigkeit des § 48 KVBG durch den Verfassungsrechtler Prof. Dr. Georg Hermes feststellen lassen. Der Bund hat seine Gesetzgebungskompetenzen klar überschritten und eine Erforderlichkeit für die Versorgungssicherheit herbeibeschworen, um die Profite von RWE zu sichern. Nun sind die Grünen in Regierungsverantwortung und haben die Möglichkeit, die widersinnige Räumung von Lützerath zu verhindern. Ihre Regierung hat die Verpflichtung, dem Versprechen von Paris nachzukommen und ihre selbst gesetzten Klimaziele ernst zu nehmen.
Es ist zu erwarten, dass sich in Lützerath das bereits aus der Räumung des Hambacher Forsts bekannte Spiel wiederholen wird: Ein dringend zu schützender Ort wird für den Kohleabbau geopfert und die ihn verteidigenden Klimaaktivist*innen werden auf Grundlage einer rechtlich zumindest fragwürdigen Rechtsgrundlage geräumt.
Wir möchten Sie daran erinnern, dass die Festlegung einer Erforderlichkeit in einem Gesetz nicht bedeutet, dass diese faktisch besteht. Wir möchten Sie ebenso daran erinnern, dass Sie durch die Räumung von Lützerath und den Abbau der darunterliegenden Kohle ein völkerrechtliches Abkommen, das Übereinkommen von Paris, brechen. Die Zivilgesellschaft beobachtet die Untätigkeit dieser Regierung und wird Sie immer wieder für diese in die Verantwortung ziehen.
Doch nicht nur die Räumung selbst und die ihr zugrundeliegenden Normen klagen wir an. Auch die repressiven Polizeimaßnahmen, die sowohl vor Ort als auch gegenüber anreisenden Personen angewandt werden, sind auf das Schärfste zu verurteilen.
Wie sich dieses Wochenende am Beispiel der bei ihrer Anreise vom Hamburger Staatsschutz aufgehaltenen Aktivist*innen erneut zeigte, wird die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit zunehmend kriminalisiert. Diese Entwicklung ist zutiefst beunruhigend, da es sich bei der Versammlungsfreiheit um eines der zentralen und für den demokratischen Staat schlechthin konstituierenden Grundrechte des Grundgesetzes handelt.
Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig. Sie, Herr Buschmann, betonen regelmäßig, wie stolz Sie auf das Grundgesetz seien. Dann liegt es auch an Ihnen für dieses einzustehen, anstatt Konzerninteressen und Profitmaximierung über Grundrechte zu stellen, die Voraussetzungen einer demokratischen Gesellschaft sind. Eine Verfassung hält sich nicht von allein am Leben. Sie ist nur so viel wert, wie sie insbesondere von Seiten des Staates respektiert und gewahrt wird, vor allem gegenüber Meinungen und Protest, der ihn herausfordert und unliebsam ist.
Wir beobachten in den vergangenen Monaten eine stetig zunehmende Kriminalisierung von Klimaprotesten, mit drastischen Auswirkungen auf die Versammlungsfreiheit. Es ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung im Laufe der Räumung weiter verstärken wird. Auch um Anwohner*innen und Aktivist*innen zu schützen ist es von fundamentaler Bedeutung in den nächsten Tagen mit einem klaren und aufmerksamen Blick nach Lützerath zu schauen.
Klimaprotest stört. Tut er doch nichts Anderes als die regierenden Parteien stetig an die selbst gegebenen Versprechen zu erinnern; an ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen Mensch und Umwelt, sowohl für diese, als auch für kommende Generationen zu schützen.
Noch stehen die Häuser in Lützerath, noch bleibt die Kohle in der Erde. Es liegt an Ihnen, ob das so bleibt und ob Sie die Einhaltung Ihrer verpflichtenden Klimaziele den Aktivist*innen in Lützerath überlassen oder selbst Verantwortung übernehmen werden.
Wir hoffen auf Letzteres.
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen HU Berlin
Die kritischen Jurist*innen FU Berlin
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Passau
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Marburg
Die Kritischen Jurist*innen Leipzig
Die Kritischen Jurastudierenden Hamburg
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg
Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Kiel
Lawyers for Future e.V.