Pressemitteilung vom 14.11.2014
Kennzeichnungspflicht: Gewerkschaft der Polizei auf Schlingerkurs
Widerstand der Gewerkschaft bröckelt / Innenminister in der Pflicht
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Baden-Württemberg, Rüdiger Seidenspinner, hatte am Montag vergangener Woche überraschend erklärt, dass die GdP die geplante Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten nicht grundsätzlich ablehne. Nach seiner Wahl in den Bundesvorstand dementiert er seine Aussage und wirft Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern sowie den Medien „Unterstellungen“ vor. Die Humanistische Union Baden-Württemberg (HU) und der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen Freiburg (akj) sind über diese Kehrtwende der GdP irritiert und fordern den Innenminister Reinhold Gall zur zügigen Einführung der Kennzeichnungspflicht auf.
Wörtlich sagte Seidenspinner am 03.11.2014 vor laufender Kamera auf einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Kennzeichnungspflicht: „Es wird so getan, als wären wir per se dagegen. Nö. Soll doch mal jemand was auf den Tisch legen, wie man’s vorhat.“ (hier abrufbar, 22:00-22:09 Min.). Er zeigte sich zudem bereit, einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bürgerrechtlern zu prüfen und Verbesserungen vorzuschlagen (1:16:19-1:16:39 h).
Darstellungen in den Medien, wonach die GdP jegliche Mitarbeit bei der Einführung verweigere und sie notfalls auf dem Klageweg verhindern wolle, bezeichnete er dort als „verkürzt“. Seidenspinner weiter: „Wir haben gesagt, wir setzen uns konstruktiv mit dem Vorschlag auseinander.“ (1:04:30-1:04:59 h).
Im Newsletter vom 10.11.2014 (S. 3) wird weiter Presseschelte getrieben: „Derzeit wird wieder einmal versucht, der GdP bzw. ihren FunktionsträgerInnen Aussagen zu unterstellen, die es in der dargestellten Form nicht gegeben hat.“ Seidenspinner habe auf der Veranstaltung „klar und deutlich formuliert, dass die GdP gegen eine Kennzeichnungspflicht ist.“
Dr. Udo Kauß, der Landesvorsitzende der HU, ist von dieser Reaktion befremdet: „Herr Seidenspinner sollte zu seinem Wort stehen und sich auf die guten Argumente für eine Kennzeichnungspflicht einlassen. Er hat selbst zugegeben, dass die als Folge einer Kennzeichnung beschworenen Gefahren nichts weiter sind als ‚Bauchgefühle‘. Bei einer anonymisierten Kennziffer muss sich niemand Sorgen um die Polizisten machen. Die Ahndung von polizeilichen Übergriffen darf nicht an mangelnder Erkennbarkeit scheitern. Dafür brauchen wir die Kennzeichnung – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.“
Die grün-rote Landesregierung hat die Kennzeichnungspflicht in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart (S. 66). Der zuständige Innenminister Gall und die Regierungsfraktionen sind aufgefordert, die Kennzeichnungspflicht endlich einzuführen. Hierzu sollten sie den schon erarbeiteten Gesetzentwurf in den Landtag einbringen. Die Kennzeichnungspflicht wurde bereits in vier Bundesländern erfolgreich eingeführt.
Der erwähnte Gesetzentwurf ist hier abrufbar.