Der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (akj) Freiburg begrüßt die Feststellung des Verwaltungsgerichts (VG) Karlsruhe der Rechtswidrigkeit des LKA-Spitzeleinsatzes gegen die linke Szene in Heidelberg.
Geklagt hatten sieben Personen, die vom Einsatz des verdeckten Ermittlers vom Zeitraum Ende 2009 bis Ende 2010 betroffen waren. Nach dem Urteil des Gerichts (VG Karlsruhe 4 K 2107/11-2113/11) war dieser Einsatz evident rechtswidrig.
Das LKA stützte den Einsatz auf § 22 III Polizeigesetz als präventive Maßnahme zur Bekämpfung von Straftaten.
Positiv bewertet der akj Freiburg die vom Gericht aufgestellte Bedingung, dass die Norm aufgrund ihres schwerwiegenden Eingriffs in die Grundrechte restriktiv ausgelegt werden müsse. Formell seien hohe Anforderungen an die schriftliche Anordnung des Einsatzes durch die Behördenleitung zu stellen: Insbesondere müssten Namen und Anzahl der Verdeckten Ermittler*innen erkennbar sein. Hieran fehlte es im Heidelberger Fall.
Materiell stellte das Gericht fest, dass eine konkrete Gefahr erforderlich sei, eine abstrakte also nicht ausreiche. Die herbeikonstruierte Gefahrenprognose des Landeskriminalamtes (LKA), die auf dem Fund von sieben Molotowcocktails in einer linken Wohngemeinschaft ca. 50 km von Heidelberg entfernt basierte, ist auch nach Auffassung des Gerichts völlig unzureichend. Dass das LKA weiter die Teilnahme der Zielperson an einer Demonstration in der Gefahrenprognose anführte, ist bezeichnend für sein Verhältnis zu den Grundrechten. Dass solche vorgeschobenen Gründe keine Anhaltspunkte für potentielle Straftaten sein können, erkannte nun auch das Gericht an.
Für die sieben Kläger*innen hat der Prozess damit ein gutes Ende genommen. Da aber bereits die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Einsatz nicht vorlagen, kam es wieder einmal nicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Polizeigesetz. Auf dessen Grundlage können schwerwiegende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Bürger*innen erfolgen, ohne dass die Bedingungen, unter denen solch ein Eingriff erfolgen darf, konkretisiert wären – und das ohne eine vorherige Kontrolle durch ein unabhängiges Gericht. Ein solches Einfallstor für unbegrenzte Grundrechtseingriffe ist nicht zu rechtfertigen.
Der akj Freiburg kritisiert die unzureichende Aufklärung des Spitzeleinsatzes. So waren in dem vierjährigen Verfahren die Akten fast vollständig geschwärzt, sodass es den Kläger*innen nicht möglich war, zu erfahren, in welchem Ausmaß der Staat Daten über sie gesammelt hat. Immerhin stellte das Gericht klar, dass diese Unsicherheiten zulasten der Polizei gingen. Jedoch ist immer noch nicht geklärt, ob weitere Spitzel eingesetzt wurden oder immer noch werden. Dies gilt auch für andere Städte. So ist zu befürchten, dass in Freiburg ebenfalls Spitzel aktiv waren oder sind. Dies wirft die Frage auf, ob in hinreichender Weise gesichert ist, dass die Gerichte die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns effektiv überprüfen können.
Der akj Freiburg fordert den sofortigen Abzug aller Spitzel und die Inkenntnissetzung aller betroffenen Personen. Allgemein bezweifelt der akj Freiburg die Sinnhaftigkeit der mit den Spitzeleinsätzen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffe.
Mehr Infos zum Verfahren: http://spitzelklage.blogsport.de/