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Stellungnahme des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen Freiburg und der Kritischen Jurist*innen Heidelberg zur Verkürzung der Kampagnenzeiten im Ersten juristischen Staatsexamen
Der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Freiburg und die Kritischen Jurist*innen Heidelberg kritisieren die Streichung von Ruhetagen in der Ersten Juristischen Prüfung durch das Landesjustizprüfungsamt Baden-Württemberg (LJPA).
Die Erste Juristische Prüfung, auch als erstes Staatsexamen bekannt, umfasst in Baden-Württemberg sechs jeweils fünfstündige Klausuren, die unmittelbar aufeinanderfolgend geschrieben werden. Bisher begann die Examenskampagne traditionellerweise dienstags, die abschließende Klausur wurde am darauffolgenden Donnerstag geschrieben. Die Examenskampagne dauerte somit zehn Tage, von denen vier zur Erholung vorgesehen waren. Ab Herbst 2023 wird die Examenskampagne verkürzt, zunächst auf neun, im Frühjahr 2024 sogar nur noch auf acht Tage. Somit werden Mittwoch bis Freitag und Montag bis Mittwoch Klausuren geschrieben, die Ruhetage beschränken sich nur noch auf das dazwischenliegende Wochenende.
Auf Anfrage teilt die Pressesprecherin des Justizministeriums Anna Härle mit, dass der Hintergrund der Verkürzung sei, die Bereitstellung von adäquaten Prüfungsräumlichkeiten zu erleichtern. Das LJPA müsse für die Staatsprüfung private Räumlichkeiten anmieten. Dies gestalte sich jedoch schwieriger, je länger der Prüfungszeitraum sei. Für die Verkürzung habe sich der Ständige Ausschuss, der gem. § 6 Abs. 4 S. 2 JAPrO das LJPA in “Ausbildungs- und Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung” berät, nach intensiver Diskussion ausgesprochen. Negative Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit der Kandidat*innen würden nicht erwartet. Ob diese Beweggründe die einzigen waren, lässt sich derzeit nicht nachprüfen. Eine Anfrage nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 3 Nr. 2 LIFG abgelehnt, wonach das LIFG nicht gegenüber Prüfungsbehörden gilt, soweit Prüfungen betroffen sind (https://fragdenstaat.de/a/266194).
Schon länger wird der Aufbau des Jurastudiums von Studierenden und Lehrenden als überkommen und gesundheitsschädigend kritisiert. Die Examensvorbereitung gilt als körperlich und psychisch extrem belastend. Ihr folgen sechs fünfstündige Klausuren innerhalb weniger Tage. Die vom LJPA vorgenommene Verkürzung der Prüfungskampagne auf acht anstelle von zehn Tagen erhöht den Druck auf die Kandidat*innen noch weiter. Auf der körperlichen Seite führen die Examensklausuren häufig zu Sehnenscheidenentzündungen und ählichen Erkrankungen, die durch Entspannung der Schreibhand an Ruhetagen gelindert werden können. Auch psychisch eignen sich die Pausentage zur Wiederherstellung der geistigen Kräfte und zur Umstellung zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten. Durch die Beibehaltung des Prüfungszeitraums von zehn Tagen würden zumindest dahingehend die Kandidat*innen nicht noch zusätzlich unnötig belastet und der systembedingte Druck, der bereits auf den Kandidat*innen während der Vorbereitung und Prüfung des ersten Staatsexamens liegt, nicht noch gesteigert werden. Dass keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kandidat*innen zu erwarten seien, ist realitätsfern und widerspricht der Erfahrung von früheren Kandidat*innen, die die vier Erholungstage dringend benötigten.
Dass in anderen Bundesländern teilweise an fünf aufeinanderfolgenden Tagen Examensklausuren geschrieben werden, rechtfertigt keineswegs einen Rückschritt hierzulande. Auch die vermeintlich höhere Flexibilität bei der Raumsuche kann kein Grund für eine Verkürzung sein. Die Prüfungstermine werden mehrere Jahre im Voraus festgelegt, es herrscht also genug Vorlauf für die Suche nach geeigneten Räumen. Häufig werden ohnehin immer wieder die gleichen Räumlichkeiten angemietet, sodass eine wirkliche Suche regelmäßig nicht erforderlich ist. Vielmehr drängt sich die Vermutung auf, dass das LJPA durch das Einsparen von zwei Tagen die Mietdauer der Räume verkürzen und hierdurch finanzielle Einsparungen erzielen möchte. Hierfür darf die Gesundheit der Studierenden nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Ein Blick in andere Bundesländer lohnt sich allerdings insbesondere beim sog. Abschichten. In Niedersachsen können die Kandidat*innen ihre Examensklausuren nach Wahl entweder in einer Examenskampagne schreiben oder (bei Anmeldung vor Ende des 8. Fachsemesters) ihre Klausuren auf mehrere Examenskampagnen aufteilen. Eine Einführung dieser Regelung in Baden-Württemberg unter Ausweitung auch auf solche Kandidat*innen, die keinen Freiversuch machen, würde den psychischen Druck vor dem Examen erheblich verringern.
Weiterhin kritisieren wir, dass die Entscheidung (ob sinnvoll oder nicht) ohne Beteiligung der Betroffenen – der Jurastudierenden in Baden-Württemberg – getroffen wurde. Der Ständige Ausschuss gem. § 6 JAPrO ist ausschließlich mit Vertreter*innen des LJPA, nämlich dessen Präsidentin sowie acht Prüfer*innen, nicht aber mit Vertreter*innen der Studierenden besetzt. Nach Auskunft der Landesfachschaft wurde sie auch im Übrigen nicht an dem Prozess beteiligt, sondern hat nur nachträglich von der Verkürzung erfahren. Dass Studierende heutzutage nicht einmal in einem beratenden (!) Gremium, welches sich mit Ausbildungs- und Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung beschäftigt, beteiligt sind, ist im Vergleich zu anderen Studiengängen unzeitgemäß und reiht sich ein in die grundsätzliche Verweigerung jeglicher Reformen des Jurastudiums trotz lauter Rufe aus der Studierendenschaft.
Wir, der Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Freiburg und die Kritischen Jurist*innen Heidelberg, fordern daher:
- die Rücknahme der Entscheidung zur Verkürzung des Prüfungszeitraums
- die Aufnahme von fünf studentischen Mitgliedern im ständigen Ausschuss gem. § 6 JAPrO, möglichst ein Mitglied von jeder juristischen Fakultät in Baden-Württemberg
- die Einführung des sog. Abschichtens der Examensklausuren für alle Kandidat*innen