Normenkontrollantrag gegen Freiburgs fragwürdige Verbote
Der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hat am 28.7.2009 beide Alkoholverbote für rechtswidrig und damit unwirksam erklärt. Die Randgruppentrinkverordnung wurde wegen Unbestimmtheit gekippt, das Nachttrinkverbot im sog. Bermudadreieck sei von der Generalermächtigung des Polizeigesetzes nicht gedeckt, da es an einer gesicherten Gefahrenprognose für alle Normadressaten fehle, so das Gericht in der Pressemitteilung. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Schon die mündliche Verhandlung am 23.7. war positiv verlaufen. Der vorsitzende Richter Karl-Heinz Weingärtner machte Bedenken sowohl hinsichtlich der Bestimmtheit der sog. „Randgruppen-Verordnung“ als auch hinsichtlich der dem Alkoholverbot im Bermudadreieck zu Grunde liegenden Gefahrenprognose der Stadt Freiburg deutlich.
Am 8. August 2008 hatte John Philipp Thurn seine Normenkontrollanträge beim VGH eingereicht. Auf unserer Sonderseite zur Alkoholverbotsklage steht Näheres. Details gibt es in der Presseerklärung (pdf, 133 KB) und in der zusammengefassten Argumentation (pdf, 44KB). Nach einem Austausch von Schriftsätzen mit der Stadt Freiburg und der mündlichen Verhandlung am 23.7. freuen wir uns nun über den Doppelsieg!
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Wogegen geht es überhaupt?
Die Stadt Freiburg hat zwei Alkoholverbote erlassen. Das eine, kürzlich verlängerte, ist das Nachttrinkverbot im sogenannten Bermudadreick in der Innenstadt:
Neue Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum
§ 2 Alkoholverbot
(1) In den Geltungsbereichen der Verordnung ist es auf den öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb konzessionierter Freisitzflächen verboten
– alkoholische Getränke jeglicher Art zu konsumieren
– alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen.
[…]
Das andere ist die sogenannte Randgruppenverdrängungsverordnung:
Verschärfte Polizeiverordnung zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten
§ 12 Aufenthalt auf öffentlichen Straßen, in öffentlichen Anlagen und öffentlichen Einrichtungen
(1) Auf öffentlichen Straßen, in öffentlichen Anlagen und öffentlichen Einrichtungen ist untersagt […]
5. das Lagern oder dauerhafte Verweilen außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u. ä., ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen.
Wie und warum diese beiden Verordnungen rechtswidrig sind, wurde bereits am 30. Januar 2008 in einem Flyer (139 KB, pdf) angedeutet, den man auf einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema erhalten konnte.
Medienecho im Vorfeld
Auch schon vor Einreichung des eigentlichen Antrages erzeugte das Vorhaben ein gewissen Echo in den lokalen und regionalen Medien. Auf die eingangs erwähnte Podiumsdiskussion gab es schon die ersten Reaktionen.
In der Badischen Zeitung vom 19. Juni 2008 berichtete (77 KB, pdf) Frank Zimmermann über das Vorhaben. Am selben Tag sendete SWR 4 (“Radio Breisgau”) ein von Uli Homann geführtes Interview (ca. 3 MB, mp3). Ein weiteres Interview (1,5 MB, pdf) mit dem Antragsteller erschien am 22. Juni in Der Sonntag, die Fragen stellte Jens Kitzler.
Nachdem das Bürgermeisteramt am 7. Juli vorschlug das Verbot zu verlängern interessierten sich die Medien wieder für das Thema, so z.B. die Landesschau Baden-Württemberg (SWR, 9.7.). Zwei Studien, die angeblich die Wirksamkeit des Alkoholverbots belegen, wurden von Prof. Dr. Roland Hefendehl in einem Interview (1,1 MB, pdf) mit Der Sonntag kritisiert. Wir bedanken uns für alle Zustimmungen zur Veröffentlichung.