Das Bündnis gegen rassistische Zustände Freiburg, zu dem auch der akj gehört, ruft zu einer Kundgebung gegen rassistische Zustände und die Berichterstattung der Badischen Zeitung der vergangenen Wochen auf!
Seit dem 18. April berichtet die Badische Zeitung über ein vermeintlich seit Jahresbeginn aufgekommenes Kriminalitätsproblem in Freiburg. Praktisch täglich erscheinen seither Artikel, die mehrere ungeklärte Diebstähle und Überfälle zwischen Altstadt und Stühlinger Kirchplatz einer Gruppe „unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“ und einem nicht näher definierten „Umfeld“ zuschreiben. Der vermeintliche Anstieg der Vorkommnisse wird dabei immer wieder in Verbindung mit der gestiegenen Zahl von jungen Flüchtlingen in Freiburg gebracht.
Welche Reflexe die kampagnenhafte Berichterstattung bedient, wurde schon in den Onlinekommentaren unter dem ersten erschienen Artikel deutlich. Dort war von einer „No-Go-Area“ die Rede, eine Bezeichnung die später die extrem rechte Onlineplattform „PI-News“ aufgriff. Außerdem wurde die von BZ-Redakteur Joachim Röderer angedeutete Verbindung der gestiegenen Flüchtlingszahlen mit einer steigenden Kriminalität von mehreren Kommentator*innen übernommen und dabei pauschal auf Geflüchtete übertragen. Für noch mehr Empörung unter den Verfasser*innen der Onlinekommentare sorgte aber das angeblich herrschende grün-rote „Gutmenschentum“, das massenhaft und gezielt Kriminelle nach Deutschland holen würde. Gegen diese Situation, so ein Kommentator, könne mittlerweile nur noch ein „Zusammenhalt unter Deutschen“ helfen.
Die im ersten Artikel angelegte Richtung der Debatte wurde durch die weitere Berichterstattung der Badischen Zeitung noch deutlich verstärkt. Seit Mitte April wird praktisch jede Polizeimeldung in der Lokalpresse mit den jungen Flüchtlingen oder, wenn das ganz offensichtlich nicht möglich ist, mit deren nicht näher bezeichnetem „Umfeld“ verknüpft. Begleitet werden diese Kurzmeldungen von längeren Artikeln, die in äußerst suggestiver Manier angeblich bisher totgeschwiegene Probleme ansprechen, „erfahrene Ermittler“ damit zitieren, dass der Stühlinger Kirchplatz nunmehr nachts zu meiden sei. Fast so, als ob dort seit Anfang des Jahres Flüchtlinge den bisher sichersten Ort Freiburgs terrorisieren würden. Gleich für das ganze Stadtgebiet fragt die BZ suggestiv: „Wie sicher ist Freiburg noch?“
Wenngleich ein Anstieg von Raubüberfällen bei Betrachtung der Polizeistatistik nicht zu leugnen ist, müssen Umfang und Art der Berichterstattung doch verwundern. Schließlich ist die Zunahme am angeblichen Brennpunkt Stühlinger Kirchplatz eher marginal. Die Zahl der schweren und gefährlichen Körperverletzungen ist dort wie auch im gesamten Stadtgebiet dieses Jahr sogar deutlich zurückgegangen.[1] Noch gravierender ist die von der BZ stets geknüpfte Verbindung mit einer klar umrissenen Gruppe von Beschuldigten, deren Tatbeteiligung zum größten Teil nicht belegt ist und die ständige Thematisierung von Herkunft und Nationalität. Beide Elemente stellen Verstöße gegen den Pressekodex dar, welcher der Unschuldsvermutung insbesondere im Umgang mit jugendlichen Verdächtigen einen hohen Rang einräumt und verlangt, dass die Herkunft mutmaßlicher Täter*innen nur zu nennen ist, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Tat steht.[2]
Doch das kümmert die Redaktion der Badischen Zeitung offensichtlich wenig: In zahlreichen Artikeln wird kritischen Stimmen unterstellt, die Situation zu „verharmlosen“ oder „schönzureden“. Ohne jede kritische Reflexion wird die Kritik an der Berichterstattung zurückgewiesen. So behauptete etwa BZ-Redakteur Karl Heidegger im Leitartikel vom 23.05.2014: „Nicht das Benennen eines Problems macht Menschen radikal – sondern die Stigmatisierung derer, die es benennen.“
Dabei hat die vergangene Woche eindrücklich gezeigt, was die Konsequenzen der BZ-Kampagne sind: Unter Bezug auf die Artikel der letzten Wochen formierte sich eine von BZ euphemistisch als „Zivilpatrouille“ bezeichnete Bürgerwehr aus dem Türstehermilieu, die von der Badischen Zeitung zunächst begrüßt, letztlich aber durch die Intervention der Polizei verhindert wurde. Zudem kontrolliert die Polizei seit Beginn der Berichterstattung zunehmend Personen, die ihrer Auffassung nach in das Bild der Gruppe von Flüchtlingen passen könnten. Personen rein nach äußerlichen Merkmalen zu kontrollieren widerspricht dem Diskriminierungsverbot[3] und stellt eine rechtswidrige Ungleichbehandlung, auch Racial Profiling genannt, dar [4] – im Übrigen auch dann, wenn Polizeipräsident Rotzinger behauptet, derlei Praxis würde in Freiburg keine Rolle spielen.
Das „Benennen eines Problems“, wie Karl Heidegger schreibt, bedeutet unserer Ansicht nach nicht, in kürzesten Abständen den immer gleichen Inhalt zu reproduzieren und ständig die Herkunft und den Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen in den Mittelpunkt zu stellen. Eine solche Berichterstattung bereitet vielmehr den Boden für rassistische Ressentiments. Sie macht Geflüchteten, die oft traumatisiert sind und sich Freiburg zumeist nicht einfach so „ausgesucht“ haben, wie es die BZ im Interview mit Polizeipräsident Rotzinger unterstellt, das Leben nochmals schwerer.
Gegen diese rassistischen Zustände und die Berichterstattung der Badischen Zeitung rufen wir für Mittwoch, den 28. Mai um 18:00 zu einer Kundgebung vor der Geschäftsstelle der Badischen Zeitung in der Bertoldstraße auf.
[1] siehe Polizeistatistik: http://www.presseportal.de/showbin.htx?id=283444&type=document&action=download&attname=lagebildppfreiburg.pdf.[2] siehe hierzu “Recht auf Stadt”: http://www.rechtaufstadt-freiburg.de/2014/05/bz-erzeugt-stimmung/.
[3] Artikel 3 Grundgesetz.
[4] siehe http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?sonderseiten-vg-koblenz-presseinformationen.