Bericht über den BAKJ-Herbstkongress 2020 in
Freiburg zum Thema Klima und Recht.
Samstagmorgen, 8.30 Uhr. Ich schaue auf mein Handy: 32 neue Nachrichten in der BAKJ-Planungsgruppe auf Telegram. Sofort bin ich wach. Heute ist es endlich so weit, unser Herbstkongress des Arbeitskreises Kritischer Juragruppen (BAKJ) beginnt!
Unsere Herzen klopfen, als wir die steigenden Teilnehmer*innenzahlen auf Big Blue Button beobachten. Hoffentlich geht alles glatt. Wie viel Energie,
Gedanken und Liebe wir in den letzten Wochen und Monaten in diesen Kongress gesteckt haben! Vor über einem Jahr begannen wir das erste Brainstorming, trafen uns wöchentlich, berieten uns in Kleingruppen, hatten Geldsorgen, telefonierten mit Referent*innen, verteilten Aufgaben. Dann im Sommer das große Tief: Ein Präsenz-BAKJ schien angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen nicht mehr vertretbar. Was nun? Ein neues Konzept musste her. Die Enttäuschung drückte stark auf Motivation und Stimmung. Wie sehr hatten wir uns darauf gefreut, die anderen Ortsgruppen in Freiburg zu empfangen, wie viele Gedanken hatten wir uns über Vernetzung und Austausch gemacht…Nun denn, was nix wird, das wird nix, also erneutes Brainstorming! Das Ergebnis: Ein entzerrter BAKJ, der den gesamten Dezember erhellen würde, eine Big-Blue-Button-Lizenz, Breakout-Rooms und Spieleabend für die Vernetzung sowie ein ziemlich geiles Stadtführungsvideo durch das wunderschöne Freiburg.
Es ist inzwischen 9.45 Uhr. Die Zahl der Teilnehmer*innen steigt auf über 90.
Das Begrüßungsteam liefert ab. Mit einer selbstverständlichen Lässigkeit verbreiten sie Vorfreude und gute Stimmung. Obwohl wir alle an unterschiedlichen Orten vor unserem Bildschirm hocken, ist ein wahnsinniges Gemeinschaftsgefühl spürbar. Im Chat herrscht reges Treiben. Lob und Dank wird ausgesprochen, Freude und Erleichterung macht sich breit. Es folgt unser „Icebreaker“: Das Freiburg-Video. Wir schauen hinter die grünen Fassaden und zeigen Clubsterben, Burschenschaften und die Ausdehnung polizeilicher Befugnisse auf dem Stühlinger Kirchplatz. Nach einer kleinen Pause, in der wir unsere Gedanken mit den anderen Ortsgruppen teilen und hier und da etwas Lob für das Video einheimsen, beginnt auch schon der erste Vortrag: Caterina Freytag und Roxana Baldrich von Germanwatch geben Einblicke in die Begleitung von Klimaklagen durch NGOs und diskutieren mit uns über den Fall Huaraz: Saúl gegen RWE. Nach einer Mittagspause, in der wir zum Falaffelessen rennen, um sie gemeinsam zu verbringen, folgt Input zum Thema klimabedingte Migration mit Sabine Minninger von Brot für die Welt, deren Twitter-Fanbase uns schon nach einigen Sätzen sehr nachvollziehbar erscheint. Am Abend dann der legendäre Spieleabend, bei dem die eine oder andere ihres Spieleehrgeizes bei Scribble überführt wird.
Obwohl wir uns fest vornahmen, das Plenum unseres BAKJs am Sonntagmorgen „wirklich kurz zu halten“, wurde um 13 Uhr noch rege diskutiert. Naja, mensch kann nicht immer gewinnen. Das Moderationsteam hielt tapfer durch – musste die Energietanks zwischendurch aber (un)auffällig mit Schokolade auffüllen. Und auch das Technikteam leistete bis zum Schluss Beistand. Der Dezember war gespickt von regelmäßigem Dazulernen: Von Stephan Breidenbach (German Zero) erfuhren wir, inwieweit ein neues Energiegesetzbuch zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles beiträgt, warfen mit Sabrina Zucca-Soest einen Blick auf die Rolle des Rechts im liberalen Rechtsstaat und erhielten von Remo Klinger Einblicke in die Bedeutung strategischer Prozessführung. Auch das Gewicht des Straf- und Völkerrechts sowie der Sektoren Verkehr und Landwirtschaft für Klima und Recht wurde beleuchtet. Besonders wertvoll war für mich persönlich der Denkanstoß Samie Blasingames vom Black Earth Kollektiv, welche den Begriff Klimagerechtigkeit mit den Kontexten Dekolonisierung, historische Verantwortlichkeiten und globaler Solidarität verwob. Ich lernte, mich bei der Beschäftigung mit jedwedem Thema zu fragen, wessen Perspektive gerade fehlte und merkte einmal mehr, wie stark unser Kongress von Organisations-, Referierenden- und Zuhörer*innenseite weiß dominiert war.
Unsere Angst, es würde zu wenig Zuhörer*innen geben, bestätigte sich nie. Hervorgebracht hat dieser Kongress einen gewaltigen Wissenszuwachs, der sich nicht nur auf Klimafragen, sondern auch kolonial-historischen Sprachgebrauch, soziale Ungerechtigkeit und Finanzanträge erstreckt. Gezeigt hat uns unser BAKJ zudem, dass wir im Kampf gegen den Klimawandel auch in der überwiegend konservativen Jura-Landschaft nicht allein sind, sondern, dass wir als Akjotis von einem starken Netz progressiver Denker*innen aufgefangen, motiviert und weitergebildet werden. Aber vor allem brachte dieser Herbstkongress zum Vorschein, dass wir eine unvergleichliche
Freiburger Ortsgruppe haben, die Solidarität, Reaktions- und Einsichtsfähigkeit bewies.
Der nächste BAKJ-Kongress:
Online vom 3.7. bis 29.7.21 (Heidelberg)
Das Motto lautet:
„Das Sozialstaatsprinzip – Nur eine leere Phrase?“
Mehr unter
bakj-heidelberg.de.